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15. Kulturelle Abwechslungen

Man stelle mehrere Tische und Stühle auf, sorgfältig dekoriert mit den Flaggen verschiedener Länder, bereite einige Kleinigkeiten zum Knabbern her und lade viele viele Leute ein. Dann lasse man die Besucher selbst walten und den Abend genießen. Einzige Bedingung: Es wird in der Sprache gesprochen, die die Flagge in der Tischmitte anzeigt. Wünscht Besucher A heute in Spanisch zu kommunizieren, so setze er sich bitte an den spanischen Tisch. Besucherin B zieht Chinesisch vor? Kein Problem, Madame, nehmen Sie doch bitte hier Platz! Und da Besucher C wiederum schon seit Ewigkeiten mal wieder

Englisch chatten will, ergattert er grad noch den letzten freien Sessel am Englisch-Tisch. Warum dieses Spektakel, ganz einfach: Herzlich willkommen zum Café Polyglotte!

 

Ich brauch euch nicht schon wieder vom deutsch-französischen Stammtisch zu erzählen… Den kennt ihr inzwischen schon und er kehrt jede Woche frischen Elanes wieder. Doch um meine Liste der Kulturellen Aktivitäten innerhalb einer Woche zu vervollständigen, muss er definitiv erwähnt werden!

 

Müde wie selten schlurfte ich am Freitagabend nach Hause. Es war mir selbst ein Rätsel, warum ich meine Augen kaum mehr offenhalten konnte, aber jedenfalls sprach ich insgesamt nicht mehr als drei Worte mit den anderen Mädls während ich in der Küche am Herd stand und friedlich meine Kaiserschmarren zubereitete. Aber halt! Warum Kaiserschmarren, wenn du doch eigentlich nur mehr schlafen willst? Und warum andere Mädls? Tadadada [bling bling]: Erasmus International Dinner in der Maison du vélo. Jede/r bringt was zum Essen und zum Trinken mit, bedient sich vom wahnsinnig leckeren Buffet und quatscht derweil mit den anderen Meisterköchen. Alles schön und gut, aber… Aber was? War da eben noch wer müde? Wo? Ich doch nicht! Das Buffet war ziemlich aufgefuttert, die ersten Leute machten sich auf den Heimweg, die anderen drehten das Licht ab und die Musik auf. Und los ging’s! Hui, da hatten wir Energien nach diesem Festschmaus, Wahnsinn, echt cool! Und dieses Ambiente: Ganze Fahrräder, halbe Fahrräder, Schläuche, Schrauben, Speichen, Schraubenzieher, Kettenöl, Einzelteile auf Französisch beschriftet an der Wand aufgeklebt. Toll, diese Werkstatt. Als um Mitternacht dann aus Lärmschutzgründen die Musik abgedreht wurde, hatten wir aber noch haufenweise Energien und Tanzbegeisterung, und so kam es, dass wir um 5 Uhr morgens mit schmerzenden Füßen die ein paar Minuten von der Maison de vélo entfernte Disko verließen ;-)

 

Um in Frankreich auch mal was richtig Französisches zu erleben, lud mich meine Gastmama Chantal am Samstagabend zu einem traditionellen Konzert ins nahe gelegene Centre de Loisirs (Freizeitzentrum) ein. Zwei Männer sangen, spielten und lebten traditionelle Lieder aus der Normandie, der Bretagne, Quebec und Irland. Es war wirklich beeindruckend, wie viel Elan die beiden in ihr Konzert steckten und wie sie das eher etwas betagtere Publikum mitrissen. Verstanden hab ich zwar nicht wirklich was, aber es war sicherlich ein toller Abend, und zur Abwechslung mal so richtig französisch ;-)

 

Sonntagmorgens wachte ich zeitig auf, die Sonne schien und ich hatte den Tag noch nicht geplant. Perfekte Gelegenheit, um mal gemütlich in die Kirche zu gehen. Schnell ein SMS

an meine brasilianische Freundin Lorena und schon waren wir zwei, die den Altersdurchschnitt des Gottesdienstes ein bisschen runterschraubten. Ich muss echt noch vieles an kirchlichem Vokabular nachholen, doch Lorena sagte mir so manches Wörtchen ein und ich freute mich, zumindest zu verstehen, um was es gerade ging. Außerdem bekommt man immer beim Hereinkommen einen Zettel ausgeteilt, auf dem man die Lesungen, das Evangelium und alle Lieder mitlesen kann.

 

Was nach der Messe fast obligatorisch wirkt? Der sonntägliche Markt. Ob gebratene Hühner, frische Zwiebeln, Regenschirme, Couscous mit Meeresfrüchten, grün-glitzernde Sandalen, einen Korb voll Nüsse, Äpfel, Birnen, Orangen, Bananen und Mandarinen, duftende Gewürze, Crêpes und Galettes in allen Variationen, scheinbar echte Marken-Kapperl, klitzekleine Schoko-Pistazien-Küchlein oder einen rosaroten Blumenstrauß, irgendwas findet man sich immer. Es hat ja auch keiner gesagt, dass die Preise unbedingt

billiger sein müssen als im Supermarkt. Oft ist das der Fall, doch manchmal kann man auch ganz schön in die Falle tappen!

 

Ich hab Kartoffelpüree, Käse, Salat, Gemüse und Mozartkugeln, was hast du? Tomaten, Kartoffeln, Karotten und Käse. Super, da zaubern wir was Leckeres, wann fangen wir an? 18.30 klingt gut. Ja, und dann fingen wir an, unser Abendmahl zu bereiten.

entrée: Grüne Salatherzen mit Tomaten, Karotten, Walnüssen und Kürbiskernöl

soupe: Tomatensuppe mit Kartoffeln und Karotten

plat principal: Kartoffelpüree mit gebratenem Buttergemüse

fromage: Camembert und Bresse bleu

dessert: Mozartkugeln und Café-Crème

Auf mal wieder, Ruiqi: österreichisch-chinesische Restl-Küche <3

 

Wie war das? In Frankreich werden gute Filme produziert, oder!? Also ja, ich hab schon das Gefühl, dass die Film-Schau-Kultur hier einen größeren Stellenwert hat als bei uns. Jedenfalls wird wöchentlich ein Film in Originalversion an der Uni gezeigt. Und so kam es, dass ich hier nun schon des Öfteren gemütlich in den weichen Hörsaalsesseln der Aula Magna sitzend englische Filme mit französischen Untertiteln angesehen hab. Anfangs echt verwirrend, können die sich nicht auf eine Fremdsprache einigen, aber nach einiger Zeit echt eine tolle Lernmethode!

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