· 

26. Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erleben! Und wenn die Reise noch so klein ist... ;-)

Ich will ans Meer, sagte sie. Ich hab keine Zeit um eine Reise zu planen, sagte sie. Ich will nicht viel Geld ausgeben, sagte sie. Ich will was Tolles erleben, sagte sie. Ich habe ein Wochenende lang Zeit, sagte sie. Willst du mit mir kommen, fragte sie. Natürlich, klingt ziemlich cool ;-)

 

Und so machten sich die beiden auf. Sie wussten beide nicht, was sie erwarten sollte. War aber eigentlich auch egal. Im Rucksack hatten sie ihre Schlafsäcke, eine Trinkflasche, die Zahnbürste, eine Regenjacke und bissl Geld. Und ein Blatt flashig-gelbes Papier sowie einen Stift. Diese beiden Utensilien waren äußerst wichtig, denn die beiden beschlossen, lieber per

Auto-stop ans Meer zu düsen als ein Busticket zu kaufen.

 

Hast du eine Karte, fragte sie. Nein, aber ich weiß die Himmelsrichtung. Und was tun wir jetzt, fragte sie. Wir fahren mit der Straßenbahn bis zur nord-östlichen Endstation und schauen dann weiter. Und weißt du, wo wir uns dann hinstellen können, fragte sie. Nö, aber wir können ja dann dort wen fragen.

 

Gesagt getan. Die freundliche Dame, die sie in der Nähe eines Kreisverkehres trafen, zeichnete ihnen den Weg auf, um an einen anderen Kreisverkehr zu gelangen, der eine Abzweigung Richtung Meer hat. Und dann marschierten sie los. Der Straße entlang, die noch nicht zum Meer führte. Über die Autobahnbrücke, wo die Luft schrecklich stank. An der Bushaltestelle vorbei, die die Frau erwähnt hatte. Dem Bach entlang, den die Frau mit

Wellenlinien aufgezeichnet hatte. Zum Kreisverkehr mit dem Schild, das einen Ortsnamen in der Nähe vom Meer anzeigte.

 

Stellen wir uns jetzt einfach so hier hin und halten unser Schildchen hoch, fragte sie. Sicher, und lächle schön brav. Und was, wenn uns niemand mitnimmt, fragte sie. Dann warten wir

noch ein bisschen länger. Hast du den gesehen, der hat uns zugewunken, sagte sie. Ja, und was die da im Auto gerade gemeint hat, hab ich auch nicht verstanden. Schon komisch, dass die immer irgendwelche Zeichen machen, sagte sie. Find ich auch, da weiß man echt nicht, was sie damit ausdrücken wollen.

 

Ein Auto hielt an. Sie schnappten ihre Rucksäcke, öffneten die Tür und fragten in freundlichstem Französisch, ob sie denn nach Dives sur mer fahren würde. Als die Fahrerin bejahte, stiegen sie ein und genossen dieses kleine aber feine Erfolgserlebnis. Sie hatten es geschafft! Saßen in einem Auto, das bis an ihr Ziel fuhr. Quatschten mit einer jungen sehr interessierten Studentin, die bald ihr Erasmus-Semester in Japan beginnen wird. Und sahen

sobald das Meer vor sich.

____________________________________________________________________________________________________

 

Mit der Begründung, dass wir dort den schönsten Strand vorfinden würden, hatte uns die Fahrerin in Cabourg abgesetzt, dem westlichsten der drei zusammengewachsenen Örtchen Cabourg, Dives sur mer und Houlgate. Wir genossen also den Seeblick, das Kreischen der Möwen, den knirschenden Sand unter unseren Schuhen, die abertausenden vielfältigen gestrandeten Muscheln, den Wind, der unsere Haare zerzauste. Gemütlich gingen wir auf der Strandpromenade entlang Richtung Dives sur mer.

 

Warum eigentlich? Weil dort unser Nachtquartier sein sollte. Aha, in Dives. Dort gibt es – nichts. Ein ausgestorbenes Städtchen, das im Sommer zur Hochburg der Pariser Touristen wird. Nach längerem Suchen fanden wir dann zu unserer großen Überraschung aber sogar einen Bahnhof. Ein Blick auf den Fahrplan sagte alles: ein Zug morgens um 6 Uhr, ein Zug abends um 22 Uhr. Wow, vorbildlicher öffentlicher Nahverkehr. Wir betraten das Tourismusbüro und erkundigten uns nach Sehenswürdigkeiten und must-dos in Dives. Der Strand von Cabourg ist sehr schön. Und in Houlgate gibt es ein Casino. Hier in Dives könnt

ihr auf den Adventmarkt gehen. Danke. Was für ein kulturell interessantes Angebot :D

 

Schließlich kauften wir leckere, echt günstige pains au chocolat in einer süßen Boulangerie und Joghurt, Spekulatius, Bananen und Erdnüssen in einem winzigen Geschäftchen. Wir vernaschten einen Teil unseres frischen Proviantes auf einer Bank vor dem Friedhofseingang, was uns so manchen erstaunten Blick zukommen ließ und ließen dann noch einige Zeit am Kinderspielplatz verstreichen. Schließlich hatten wir noch keine Nachricht von unserem Couchsurfing-Gastgeber.

 

Während wir am Yachthafen entlang spazierten - nachdem wir uns zuvor schon ausführlich über die entzückenden Immobilien erkundigt hatten - und uns so schon im Segelboot übers Meer fahren sahen, erreichte mich dann die Nachricht, dass unser Gastgeber nun nach Hause gekommen sei und wir nun willkommen seien.

 

Den Abend verbrachten wir sodann mit einem Couch-Surfer, dessen größte Leidenschaft das Kite-Surfen ist, wofür er des Öfteren des Wetterberichts wegen zum Internet-Surfer wird. Bei einer wunderleckeren Pizza und dem darauffolgenden Tiramisu diskutierten wir über Reisen, Sport, Sprachen, Schulsysteme, Verrücktheit, Individualität, Offenheit, Lebensfreude und Flip-Flops im Winter. Echt ein merk-würdiges Abendessen ;-)

 

Am späten Sonntagvormittag standen wir dann auf, aßen genüsslich unsere restlichen pains au chocolat, bedankten uns mit österreichischen Mannerwaffeln und Mozartkugeln bei unserem Gastgeber und spazierten den Strand entlang noch ein Stück weiter östlich, nach Houlgate. Dort besichtigten wir abermals das kleine aber feine Örtchen, bestaunten den

unglaublichen Meeresblick nach einem ziemlich anstrengenden Treppen-Wegerl auf einen Hügel mit Aussichtsplattform und schrieben sodann unser Auto-stop-Schildchen um zurück nach Caen zu gelangen.

 

Keine drei Minuten standen wir am Straßenrand, bevor schon ein Auto anhielt und uns einsteigen ließ. Bis Cabourg kann er uns zumindest mitnehmen, und dort wird es dann leichter sein, jemanden zu finden. Okay, gut, danke. Nach dieser fünfminutigen Fahrt fragten wir im Tourismusbüro von Cabourg, wo es denn einen geeigneten Platz zum Autostoppen gäbe und machten uns sodann dorthin auf. Abermals ging es wie im Flug, keine 10 Autos waren vorbeigefahren und wir saßen bei zwei jungen Studentinnen im Auto, die einen

Sonntagsnachmittagsspaziergang in Caen planten.

 

Absolut merk-würdig, dieses Wochenende, an dem wir keinen Cent ausgegeben haben für Unterkunft oder Transport und echt viele interessante Begegnungen und Erlebnisse hatten. Auf mal wieder, Katrin ;-)

Kommentar schreiben

Kommentare: 1
  • #1

    Oe (Samstag, 02 Januar 2016 16:58)

    Das könnte eine schöne Urlaubsgegend sein für uns aus LM.Tolle Fotos !