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36. Armenisches Abenteuer in Frankreich

Probieren geht über Studieren - oder so...

 

Mher, mein armenischer Freund aus dem Studentenwohnheim, lud Ruiqi, unsere chinesische Freundin, und mich am Sonntag zum Mittagessen ein. Es sollte Khash, ein traditionelles armenisches Festessen, geben.

 

Als Mher den Deckel des Kochtopfs hochhob, kam mir ein relativ neutraler, natürlicher Geruch entgegen. Gar nicht mal so schrecklich. Gedanklich sagte ich mir noch vor: „Wer nicht wagt, der nicht gewinnt“ - den Anblick des Gekochten hätte ich mir allerdings lieber erspart. Über sechs Stunden lang hatte das Kuhbein auf kleiner Flamme vor sich hin geköchelt.

 

Zu allererst aber mal ein obligatorisches Stamperl Vodka – ohne Atmen, und dann sofort in eine Essiggurke beißen, lauteten die Anweisungen!

 

Gefühlvoll schöpfte Mher sodann den dampfenden Sud in unsere Teller. Die Suppe stark zu salzen, befahl er mir und Ruiqi, und dann Knoblauch, viiiiiiiiel Knoblauch! Als jeder seinen eigenen Teller Suppe abgeschmeckt hatte, kam das Fladenbrot an die Reihe. Extra getrocknet hatte er die Tortillas, die wir natürlich nicht mit dem echten traditionellen armenischen Lavash verwechseln durften. In kleine Stückchen rissen wir die dünnen Fladen, und vermischten sie mit der Suppe, bis schließlich, nach einigen Tortillas, ein richtiger Brei entstanden war. So breiig, dass man es mit den Fingern essen kann, hätte die armenische Devise gelautet – wir entschieden uns aber dennoch für den Löffel. Sogleich folgte der

Mastertrick: einen halben Fladen über den Teller legen, damit der Inhalt nicht auskühlt. Man lernt nie aus! ;-)

 

Als ich den ersten Bissen schluckte, mir der Geruch in die Nase aufstieg, hatte ich ein exaktes Bild vor Augen: Der Kuhstall am Bauernhof in Rechberg im Mühlviertel, wo meine Großeltern mit uns Enkelkindern des Öfteren Urlaub machten. Ich stand im linken Gang, bei den Kälbern, sah die Kühe, die Melkmaschinen, das Heu, die Heugabel, das Papier zum Euter abwischen, die Milchkübel, den Hund, die Hühner, die Fliegen. Draußen blökten die Schafe, eine Katze lief durch den Stall.

 

Den zweiten Bissen aß ich gemeinsam mit einem Radieschen, welches den Geruch etwas dämpfte.

Den dritten Bissen aß ich gemeinsam mit einer Olive, welche den Geruch ziemlich besämpfte.

Den vierten Bissen aß ich gemeinsam mit einer Essiggurke, welche den Geruch schon

fast erfolgreich bekämpfte.

[sorry, ich hab kein passendes Reim-Synonym auf „besänftigen“ gefunden, Vorschläge gerne erwünscht]

 

Ab dem fünften Bissen atmete ich nicht mehr.

 

Ich aß den halben Teller.

 

Jetzt verstehe ich, warum Vodka das übliche Getränk zu diesem Gericht ist.

 

Auch wenn ich nur einen Quadratzentimeter des ausgekochten Kuhbeins probierte, nur den halben Teller leerte und Khash definitiv nicht mein Lieblingsgericht geworden ist, bin ich trotzdem froh und auch ein bisschen stolz, diese abenteuerliche Erfahrung gemacht zu haben. Danke ;-)

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Kommentare: 1
  • #1

    oe (Samstag, 27 Februar 2016 18:12)

    ein tolles Kuhbein, herrlich !