Als meine chinesische Freundin Ruiqi eines schönen Frühlingstages durch Caen spazierte, musste sie ein paar Mal zwinkern. Bildete sie sich das grad nur ein, oder durfte sie ihren Augen wirklich trauen? Sie entschied sich für Letzteres, ging entschlossenen Schrittes auf die ältere Dame zu und erhielt auf ihre Frage doch wirklich ein „Ja“ als Antwort. Was war
passiert?
Im Vorjahr hatte Ruiqi während ihres Winterurlaubes im Schwarzwald die Bekanntschaft einer Dame aus Paris gemacht. Da sie sich gleich ziemlich gut verstanden hatten, wurde Ruiqi bald in die französische Hauptstadt eingeladen, und auch danach blieb der Kontakt spärlich aber doch erhalten. Dann aber verlor Ruiqi ihr Handy, mitsamt den Kontaktdaten der Französin. Tja, shit happens, das wars dann wohl.
Bis zu dem Tag, an dem Ruiqi Madame Denise in Caen auf der Straße erkannte. Die war nämlich inzwischen umgezogen, raus aus der Großstadt. Warum aber ausgerechnet nach Caen? Weil hier neben Paris die einzige Uni ist, an der man Finnisch studieren kann. Aber das ist eine andere Geschichte. Es war ein Freitagmorgen, an dem ich ausnahmsweise nicht
arbeitete, an dem mich Ruiqi mit auf den Markt nahm. Denn dort hatte sie sich mit Denise verabredet. Wir beide genossen den Marktspaziergang mit Denise, die uns gekonnten Blickes in die Kunst des Markteinkaufens einführte. Sie erläuterte uns die Unterschiede zwischen Verkäufer und Produzent, lehrte uns so manch ausgefallene Vokabel und ließ uns viele uns unbekannte Produkte entdecken.
Schließlich entschied sie, dass wir noch bei ihr Mittagessen könnten und so verbrachten wir den ganzen Nachmittag am Essenstisch. Als Gegenzug luden wir Denise am 1.Mai zu einem großen Essen ein. Weil unsere finnische Freundin Milka und Alina aus Weißrussland auch noch mitkochten, ließen wir uns so ein finnisch-chinesisch-weißrussisch-österreichisch-französisches Festmahl schmecken und verbrachten einen wirklich ziemlich genussvollen langen Abend miteinander. Und es sollte nicht der letzter dieser Art bleiben.
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