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Sommer, Sonne, Citybike

Eigentlich hätte ich gestern um 9 Uhr meinen ersten Litauisch-Kurs gehabt. Ich war pünktlich an der Uni, hab mich von verschiedenen Leuten durch das Labyrinth leiten lassen, bis ich vor einer verschlossenen Tür stand. Hm. Irgendwie kam mir die Situation etwas komisch vor, da sonst niemand vor dieser Tür wartete. Ich suchte also den Weg zurück aus dem Labyrinth der alten Gebäude und Gänge und Tunnel und Durchgänge und Türen und Höfe und begab mich zum Department for Lithuanian Studies. Dort wussten sie auch erst mal nicht, was los ist, bis irgendeiner Person einfiel, dass der Kurs erst in zwei Wochen beginnt. Aha, okay, irgendwie hatte mich diese Info nicht erreicht. So stand ich also da um 9 Uhr und überlegte mir, was ich bis zum nächsten Kurs um 14 Uhr tun sollte. Also begab ich mich auf Entdeckungstour.

 

Es war ein sonniger Morgen und die Straßen in der Altstadt waren leer. Keine Touristen, keine Studenten; nur ein paar alte Leute, die ihre Souvenirstände aufbauten. Ich, schlenderte durch die Gassen, genoss die warmen Sonnenstrahlen und baute ein paar weitere Puzzlesteine in meinem inneren Stadtplan zusammen. Und dann entdeckte ich die Citybikes. In schon so vielen Städten hatte ich mir gedacht, dass die Citybikes doch eigentlich ganz praktisch wären, aber ich hatte sie noch nie benutzt. Drum beschloss ich, was Neues auszuprobieren und informierte mich in der Touristeninformation, was ich dafür zu tun hätte. Aha, zuerst online registrieren und mit Kreditkarte bezahlen und dann geht’s los. Klingt easy, aber zuerst brauche ich mal einen Computer. Und der liegt im Zimmer, eine halbe Stunde entfernt. Ein klarer Fall für die Uni-Bib!

 

Die Entdeckungsreise ging also weiter, mit der nächsten Station Bibliothek. Obwohl ich noch keinen litauischen Studentenausweis habe, ließ mich die Rezeptionistin auch so durch die Kontrollschranke und dann befand ich mich im nächsten Labyrinth. Breite Steintreppen, knarrende Holzböden, auf Litauisch beschriftete Lesesäle, dunkelbraune Bücherregale und dieser besondere Bibliotheks-Geruch empfingen mich. Diese Bibliothek hat also einen komplett anderen Stil, als die modernen Bibliotheken an der Uni in Passau! Ich erkundete die alten Gemäuer, doch was ich brauchte, war ja ein Computer. Den gäb’s wohl im dritten Stock, erfuhr ich sodann von ein paar Studentinnen. Also registrierte ich mich für die Citybikes und freute mich auf eine Radlrundfahrt.  

 

Meine erste Fahrt mit dem Citybike erfüllte mich mit Freude, ich fühlte mich auf dem schweren Fahrrad sehr königlich und entdeckte gleich wieder ein paar verwinkelte Gassen. Aber dann stand ich vor der Herausforderung, das Rad ja wieder zu einem anderen Stand zurückbringen zu müssen. Eigentlich kein Problem, nur musste ich den nächsten Stand erst mal finden! Ich packte meine Stadtpläne aus dem Rucksack. Mit Mühe stellte ich meinen Standort fest. Denn der eine Plan zeigte nur die Busrouten, der andere nur die Straßen mit Namen. Schließlich fand ich die Citybike-Ständer in der Öffi-App für Vilnius und brachte das Rad zum nächsten Terminal. Wieder einmal wurde mir klar, dass die Stadtpläne eindeutig Verbesserungspotenzial in Bezug auf den multimodalen öffentlichen Verkehr aufweisen: Ich bräuchte eine Karte, auf der die Straßennamen, die Buslinien und die Citybike-Ständer eingezeichnet sind. Dann könnte ich mich orientieren und wüsste, welches Terminal am nächsten bei der für mich relevanten Busstation ist. Später übertrug ich die Bike-Terminals aus der App selbst in die Karte mit den Straßennamen, und verschuf mir so mehr Überblick. Wie ich die Karte weiter mit den zahlreichen Buslinien präparieren kann, muss ich mir jetzt erst noch überlegen!

 

Am Nachmittag wollte ich dann mit dem Fahrrad zurück zu meiner Wohnung fahren. Aber ich wohne 5km nördlich des Stadtzentrums und soweit außerhalb gibt es leider keine Citybike-Ständer mehr. Ich fuhr also soweit wie möglich und nahm dann für die restlichen 2km den tollerweise regelmäßig fahrenden Bus. Multimodalität ahoi! ;-) Was ich aber eigentlich zu dieser Fahrt erzählen wollte, war die nette Begegnung mit einem alten Mann auf einer Brücke. Ich war mit dem Rad stehengeblieben, um ein paar Sonnenscheinfotos zu machen und überlegte mir grad, dass es doch schön wäre, ein Foto von mir mit dem Rad zu haben. Und da war er der nächste Passant, der vorbei kam. Würde er Englisch verstehen? Sollte ich es auf Russisch versuchen? Bevor ich überhaupt was gesagt hatte, lächelte er mich schon an und augenblicklich wurde klar, dass die Sprache keine Rolle spielen würde. Ich glaube, ich fragte ihn auf Englisch, ob er ein Foto machen könnte, aber da er kein Englisch verstand, antwortete er mir kurzerhand auf Deutsch. Aha, er lebt zwar in Litauen, spricht aber bissl Deutsch. „Schöne Fahrrad!“ und „Sie Studentin?“ plauderte er vor sich hin, während er sich beschwerte, dass die Sonne für das Foto nicht richtig stand. Dann drückte er auf den Ausschalt-Knopf am Fotoapparat und schaute ziemlich verwirrt drein. Ich kam ihm zu Hilfe und wollte ihm den richtigen Knopf zeigen, als er plötzlich vor dem Fahrrad posierte. Klick, da freute er sich, dass ich ein Foto von ihm gemacht hatte. Und schließlich machte er dann aber auch von mir noch ein Bild. Danke und schönen Tag noch! Dann fuhr ich mit einem Lächeln weiter.