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Winterwanderung mit dem Hiking Club

Unzählige Rucksäcke im Zug: auf in die Freiheit, auf ins Abenteuer! Wenn wir mit der ganzen Wandergruppe in den Zug steigen, hat keiner eine ruhige Minute mehr! Dann wird geplaudert, geschlafen, gegessen, gespielt, musiziert, getanzt und gelacht. Und über die farbenfrohen Rucksäcke gestaunt. 

Über Eislaufschuhe hätten wir uns bei dieser Wanderung durch den Aukstaitija Nationalpark gefreut: Ein Großteil der Forstwege war total vereist und machte uns das Gehen schwer. Nur eine Sekunde Unaufmerksamkeit, ein falscher Tritt oder eine ungeplante Bewegung, und schon flutschten wir über die spiegelglatten Straßen. Einige von uns zählten ihre wortwörtlichen Ausrutscher mit und der Rekord lag nach zwei Tagen Wanderung bei über 10. Meine Knie waren über die erschwerten Bedingungen leider gar nicht erfreut und ließen mich ihren Unmut noch lange spüren. 

Plötzlich standen wir auf tristem, braunen, öden Boden. Bagger hatten tiefe Furchen durch das Erdreich gezogen und am Horizont wehten zerfetzte Plastikplanen im Wind. Augenblicklich sank die Stimmung in der Gruppe. Zwar konnte mir vor Ort niemand sagen, was hier passiert, doch es fühlte sich nach einem traurigen und unfairen Machtgefälle zwischen Natur und Maschinen an. Werden Bäume für Holz gerodet? Werden Sümpfe für Ackerfläche trockengelegt? Oder ist es gar ein Renaturierungsprojekt? Als wir das weitläufige Feld und das Firmengelände überquert hatten, ging uns ein Licht auf: Hier wird ein Moor entwässert und Torf abgebaut.

Auf der Homepage des hier produzierenden deutschen Familienunternehmens lese ich soeben, dass die abgebauten Weiß- und Schwarztorfe als "hochwertige Substrate und Blumenerden für den europäischen Gartenbau bzw. Fachhandel" (https://einheitserde.de/einheitserdewerke/einheitserdewerke/) exportiert werden. Ah ja, übrigens ist es "(n)ur mit den richtigen Rohstoffen und optimierten Produktionsprozessen [...] möglich, den gestiegenen Ansprüchen des heutigen Gartenbaus gerecht zu werden" (ebd.). Nachdem ich das vermeintliche Schlachtfeld mit eigenen Augen gesehen, und die bedrückende Leblosigkeit gespürt habe, klingt der Lobgesang auf die hochwertigen Substrate wie Hohn in meinen Ohren.

Doch je mehr ich mich informiere, desto absurder wirkt die Situation auf mich. Die Entwässerung der Moore trägt neben der Zerstörung von Landschaft und Lebensraum nämlich auch erheblich zu einem Anstieg der weltweiten Kohlenstoffemissionen bei. Denn "(i)ntakte Moore binden circa 30 Prozent aller Kohlen­stoff­boden­vorräte der Welt – etwa doppelt so viel wie alle Wälder zusammen – und das auf nur rund drei Prozent der Landfläche" (https://life-peat-restore.eu/projekt/).  Bei der Trockenlegung der Moore werden große Mengen an CO2, N2O und CH4 freigesetzt. Im globalen Vergleich gelten die Baltischen Länder als einer der Hotspots der aus Mooren stammenden Treibhausgas-Emissionen. In zB Litauen, Lettland, Estland, Finnland, Weißrussland und auch Deutschland betragen die Emissionen mehr als 100 Tonnen CO2-Äquivalente pro km² pro Jahr (ebd.). Bisher wusste ich noch sehr wenig über dieses Thema, aber offenbar ist der Schutz der Moore ein absolut essentieller Schritt zur Reduktion der Treibhausgasemissionen weltweit.

1-2-3 und schon ist die Litauische Flagge fertig! Was für ein Zufall, dass wir alle die passenden Jacken und Rucksäcken mitgebracht hatten: Alex ganz in gelb, Mantas ganz in grün, Monika ganz in rot. Das Gelb steht übrigens für Sonne und Licht, Grün für die Natur und Hoffnung und Rot für den Mut und das Blut, welches für die Unabhängigkeit vergossen wurde.

Zeit für eine wohlverdiente Jausen-Pause!

Wie viele Wandernde samt Gepäck passen in einem Mini-Bus? Wir haben es ausprobiert und wissen jetzt: Sehr viele! Nach dem kuscheligen Abenteuer waren wir über die erhöhte Sauerstoffkonzentration der Vilnius'schen Luft dann aber sehr erfreut!